|
Kunstblumen gibt es seit ca. 3000 Jahren... Im Buch der Könige, im Alten Testament werden sie zum ersten Mal erwähnt. Die Königin von
Saba prüfte Salomon mit verschiedenen Rätseln, um herauszufinden, ob er ihrer würdig sei. Unter anderem sollte er bestimmen, welche von 12 prachtvollen Lilien natürlich und welche künstlich seien. Salomon war schlau
genug, eine Biene zu beobachten, die sich nicht auf alle Blumen setzte und die künstlichen ignorierte...
Im Mittelalter haben Nonnen angefangen, sich mit der Kunst zu beschäftigen, aus Seide künstliche Blumen herzustellen. Einerseits um
auch im Winter Kirchen und Heiligenbilder mit Blumen schmücken zu können, andererseits um in heißen Sommern auf frische Blumen, die dann schnell welken, verzichten zu können. Zudem gab es kirchliche Bestimmungen,
dass nur Seiden- oder Metallblüten als Altarschmuck verwendet werden durfte. Besonders in Norditalien entwickelte sich daraus eine regelrechte Industrie. Im 18. Jahrhundert wurden Blumen immer häufiger in
der Mode eingesetzt – zur Verzierung von Kleidern, als Hutgarnituren und für kunstvolle Frisuren. Dabei ging die Blumenherstellung in weltliche Hände über. Tonangebend in der Mode ist Frankreich, so daß zu der Zeit
dort auch die bedeutendsten Blumenfabriken und Blumenkünstler (Monsieur Seguin, Monsieur Beaulard, T.J. Wenzel – der Hofblumenmacher von Königin Marie Antoinette,) zu finden sind. Französische Auswanderer –
Hugenotten – brachten die Blumenmacherkunst ca. 1780 unter anderem nach Berlin.. In Berlin begann sich eine bedeutende Konfektionsindustrie zu entwickeln, die die Trends aus Paris kopierte, um sie günstiger einem
breiteren Publikum anbieten zu können. Dazu wurden natürlich auch die entsprechenden Accessoires – Modeblumen - benötigt.
Nach
Sachsen kamen die Blumen –über Wien –und Böhmen, dass zu dieser Zeit mit zu Österreich/ Ungarn gehörte. Hier wurden traditionell eher volkstümliche Blumen aus Papier, Hobelspänen und leichten Leinenstoffen gefertigt. Sie wurden benötigt um Feste, Volkstrachten und Kirchen zu schmücken. Diese Erzeugnisse wurden nach Sachsen importiert – bis Sachsen 1834 dem Deutschen Zollverein beitrat. Durch den hohen Zoll, der auf böhmische Waren erhoben wurde, verteuerten sich die Blumen. Daraufhin verlagerten die Fabrikanten ihre Produktion in das an der böhmisch-sächsischen Grenze liegende Sebnitz und das benachbarte Neustadt.
In dieser Zeit mußten durch das Aufkommen von mechanischen Webstühlen viele dort ansässige Handwebereien schließen. Die Weber übernahmen die
Produtkion von den “Böhmen”. Die freien
weibliche Arbeitskräfte die vorher als Weber arbeiteten erlenten schnell dieBlumenmacherei. Diese Tätigkeit konnte man gut zu Hause ausüben. Dies gilt bis in die heutige Zeit - das Kleben und Verbinden der Blüten wird als Heimarbeit vergeben.
Mit der Erweiterung der Absatzmöglichkeiten durch Messen und Kontakte zu ausländischen Großhändlern wurde die Produktion immer
bedeutender und in Sebnitz entstanden die ersten Fabriken. Der Sprung auf den Weltmarkt gelang 1870/71, als die französischen Firmen wegen der Belagerung von Paris nicht liefern konnten und sich die Kunden nach
anderen Lieferanten, so auch aus der Sebnitzer Region umsahen. Einerseits wurden die französischen Vorbilder nachgeahmt, andererseits erreichten manche Firmen durch Verbesserung der Werkzeuge, durch Arbeitsteilung
der verschiedenen Produktionsschritte und durch Spezialisierung auf bestimmte Blumenarten eine bessere Qualität und eine erhöhte Produktivität. Vorreiter war hier der Blumenfabrikant Louis Meiche, der seit 1869 in
Sebnitz tätig war.
Bis zur Weltwirtschaftskrise Ende der Zwanziger Jahre erlebte die Blumenbranche in Europa ein stetiges Wachstum. Zu dieser Zeit
arbeiteten in Paris in gut 2000 Betrieben 19.000 Mitarbeiter – überwiegend Frauen - im übrigen Frankreich noch einmal ca. 9.000. In Berlin wurden ca. 3.000 Beschäftigte gezählt, in Sebnitz und Neustadt waren es ca.
130 Firmen (mit mehr als 10 Arbeitnehmern), und etwa 10.000 Beschäftigte.
Der starke wirtschaftliche Rückgang in der Kunstblumenindustrie danach hat zwei Hauptgründe: Erstens hat sich die Mode gewandelt. Die Hutformen
wurden kleiner und schlichter und verzichteten auf Garnituren. Die Kleider waren auch nicht mehr so aufwendig. Zweitens mußten in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 alle Geschäftsverbindungen zu jüdischen
Firmen abgebrochen werden – dem überwiegenden Teil der Handelsvertreter, Großhändler und Warenhausbesitzer.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich das sächsische Zentrum der deutschen Kunstblumenindustrie wieder. Allerdings verließen einige
Hersteller bis 1952 die sowjetische Besatzungszone und gründeten ihre Unternehmen an verschiedenen Orten in Westdeutschland neu. Im Jahr 1953 wurden über 100 Firmen in die VEB Kunstblume übergeleitet, 1972 wurden
die restlichen privaten Betriebe eingegliedert. Dieser Betrieb arbeitete bis 1990 mit ca. 3.000 Mitarbeitern als größter Kunstblumenhersteller Europas exportorientiert, konnte aber aufgrund der staatlichen
Reglementierungen keine hochwertigen Materialien beziehen und sein Sortiment nicht dem modischen Wandel anpassen.Zum Anderen war die VEB Kunstblume durch den Devisenmangel in der ehemaligen DDR in der Lage die
Blumen in das westliche Ausland zu 25% des kalkulierten Preises zu verkaufen. Diese Abnehmer kauften nach der Wende ausschließlich in Fernost, da die Preise dem Markt angepasst werden mussten. Die Nachfolgefirmen
waren nicht in der Lage höherwertige Artikel zu fertigen. Dies führte schließlich zur Abwicklung durch die Treuhandanstalt.
Die anderen europäischen Blumenfabriken bekamen große Konkurrenz – aus dem Fernen Osten.
Seit den 70er Jahren wurde das Angebot an günstigen Kunstblumen, die in Asien – Hongkong, Taiwan, China, Südkorea, Thailand -
hergestellt werden, immer größer. Die Löhne dort betragen nur einen Bruchteil der europäischen Löhne, so daß die Importeure Kollektionen erstellen lassen, die dem westlichen Geschmack entsprechen. Die Blumen die
dort hergestellt werden, dienen überwiegend der Innendekoration.
Aber im Bereich der modischen Ansteckblumen gibt es eine Nische, die Heide und Gerald Steyer geschaffen haben. Sie übernahmen am 01.06.1970 in
Berlin die Blumenproduktion der Blumen- und Federnfabrik Curt Morgenstern. Dieser Betrieb wurde 1925 in Sebnitz gegründet und 1952 nach Berlin (West) verlagert. Er befand sich zunächst in Kreuzberg, in der Puttkamer
Str..Die dortigen Räume wurden aber bald zu klein, so daß 1974 in die Babelsberger Str. in Berlin-Wilmersdorf umgezogen wurde. 1976 wurde das Unternehmen in “Berliner Blumenfabrikation” umbenannt. Dies geschah, um
zu unterstreichen, daß man aus einer modisch bedeutenden Stadt stammt und wirklich auch dort fabriziert.
Mit der Wende 1990 entstand der Wunsch, außerhalb Berlins eigene Produktionsräume zu erwerben. Der erste Weg führte nach Sebnitz, wo
während mehrerer Jahre versucht wurde, einen kleinen Teil der VEB Kunstblume zu übernehmen. Die Verhandlungen mit der Treuhandanstalt führten aber zu keinem Ergebnis. Ende 1995 konnte in Wallroda ein Vierseithof
erworben werden. Nach Sanierung und Umbau wurde dort am 01.01.98 die Produktion mit 8 Fachkräften aufgenommen, die die Kunst des Blumenfertigens in Sebnitz gelernt haben. Heute lassen 12 Mitarbeiter die Blumen
entstehen, die von Sachsen aus in die ganze Welt versendet werden.
Die Nische, um gegen die Konkurrenz aus Fernost bestehen zu können, ist eine sehr modische, sehr exclusive Kollektion, die in sehr hoher Qualität
gefertigt wird und flexibel den Kundenwünschen angepaßt werden kann.
Literaturtips:
Tione Raht, Die Geschichte der Seidenblumen, Verlag M.&H. Schaper, Hannover (1981)
Manfred Schober, Die Sebnitzer Kunstblume, Verlag der Kunst, Dresden (1994)
|